Peter Braun

Wenn wir den Begriff „Kanzel“ hören, denken wir meistens an eine Kirche von deren Kanzel gepredigt wird.

Die Kanzel in der St. Trinitatiskirche zu Ohrdruf besteht aus Eichenholz. Sie ist vom Kircheneingang aus gesehen links vom Altar an eine Säule angelehnt. Der Kanzelkorb besteht aus einem Sechseck. Verdeckt für die Zuhörer gelangt der Prediger über eine Treppe durch ein offenes Feld des Kanzelkorbes hinein. Die Felder der Sechsecke sind mit Schnitzereien versehen. Die Schnitzereien zeigen Phantasie-Blumen und Früchte-Darstellungen. Die Felder sind durch Säulen getrennt. Darunter befinden sich kleinere Felder, die durch Engelsköpfe begrenzt werden. Der Kanzelkorb verjüngt sich im unteren Bereich und er steht auf einer Säule. Über einen Schalldeckel verfügt die Kanzel nicht.

St. Trinitatis wurde 1927/28 unter der Federführung von Pfarrer Dr. Baumbach umgebaut. Vor dem Umbau fiel bei Sonnenschein grelles Licht in den Kirchenraum. Hinter dem Altar befand sich eine Art Trennwand, hinter der sich die Sakristei befand. In der Mitte darüber befand sich eine Kanzel. St. Trinitatis dürfte also nach ihrer Weihe 1714 über einen Kanzelaltar verfügt haben. An der Wand hinter dem Altar befanden sich heute als verschollen geltende Tafelbilder. (vermutlich von Gottfried Wunderlich) Über den Verbleib der entfernten Bauteile ist jedoch nichts mehr bekannt.

In den Unterlagen der Pfarrgemeinde St. Trinitatis ist im Ordner der Kunstgegenstände zu lesen, dass die heute in der Kirche befindliche Kanzel aus einer aufgelassenen Garnisonkirche in Halle stammt und der Luthergemeinde in Erfurt abgekauft wurde.

Rekonstruieren wir nun den Weg unserer Kanzel in der St. Trinitatiskirche von einer Kapelle in der Neuen Residenz zu Halle an der Saale, über eine sich in Erfurt um 1900 bildende neue evangelische Kirchengemeinde bis nach Ohrdruf.

Unter Kardinal Albrecht von Brandenburg wurde der Neue Bau (Neue Residenz) zwischen 1531-39 errichtet. Im Nordflügel entsteht 1537-39 die Kapelle Allerheiligen. In den folgenden Jahrhunderten erfolgten mehrfach Umbaumaßnahmen an der Neuen Residenz. 1754 wurde der katholischen Gemeinde die Kapelle übergeben. Möglicherweise kann davon ausgegangen werden, dass das Inventar zu diesem Zeitpunkt eingebracht wurde, welches später zum Verkauf stand.

1812 errichtete die katholische Gemeinde auf der Apsis der Kapelle einen Glockenturm. Dieser Turm zierte die Kapelle, bis diese 1901 zur Garnisonkirche umgebaut wurde. Die Garnisonkirche bestand bis nach dem Ersten Weltkrieg und wurde danach zum Lager, nachfolgend Museum. Die mehrfache Nutzungsänderung und Umbaumaßnahmen an der Neuen Residenz haben zur Folge, dass gerade zur Garnisonkirche, die ja ein Teil der Neuen Residenz ist, nicht viel zu speziell diesem Bereich gesagt werden kann. Da der Glockenturm von der katholischen Gemeinde auf die Kapelle aufgebaut und von einer Übergabe an die katholische Gemeinde gesprochen wurde, kann auch von einer Nutzung durch die katholische Gemeinde ausgegangen werden. Über die Bausubstanz der Neuen Residenz einschließlich der Kapelle ist umfangreich geforscht worden. Über die Ausstattung der Kapelle ist hier nichts zu finden. An anderer Stelle ist zu lesen, dass mit der Auflassung der Garnisonkirche das Inventar zum Verkauf anstand. Bis jetzt liegen die Herkunft bzw. die Entstehungszeit der Einrichtung im Dunklen.

Die erste Verwendung unsere Kanzel kann in der ehemaligen Garnisonkirche in Halle festgemacht werden und von ihr wurde katholisch gepredigt. Bis jetzt ist, wie schon erwähnt, über die Ausgestaltung der Garnisonkirche nichts bekannt. Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, aus welcher Werkstatt die Kanzel stammt und wann sie genau entstanden ist. Entweder um 1537-39 schon beim Bau der Kapelle Allerheiligen oder um 1754 bei der Übergabe an die katholische Gemeinde.

Zwischen dem 1. Weltkrieg und der beginnenden Inflation wurde die gesamte Inneneinrichtung der Garnisonkirche wegen der bevorstehenden Auflassung zum Verkauf angeboten. Das Angebot ist vermutlich auf verschiedenen damals üblichen Wegen veröffentlicht worden. So erhielt auch die Luthergemeinde in Erfurt von dem Verkaufsangebot Kenntnis.

Die Luthergemeinde in Erfurt ist aus der Augustinergemeinde hervorgegangen, zunächst als Tochterkirche der Augustinergemeinde. 1905 gründete sich in der Luthergemeinde ein Kirchenbauverein mit dem Ziel, zu einem späteren Zeitpunkt eine eigene Kirche zu bauen.

Die Luthergemeinde in Erfurt benutzte in der Gerberstraße ihren Gemeindesaal als Kirche und hier fanden die Gottesdienste der Gemeinde statt. Das Vermögen für einen Kirchen-Neubau war auf ca. 123.000,00 Mark angewachsen. In diesen Jahren kündigte sich aber die bevorstehende Weltwirtschaftskrise/Inflation an und man musste um das angesparte Geld bangen. Vermutlich im Jahre 1920 wurde nach der Auflassung der Garnisonkirche durch das Konsistorium der katholischen Kirche das Inventar derselben zum Verkauf angeboten. Auf welche Art und Weise die Erfurter Luthergemeinde davon Kenntnis erhielt ist unbekannt. Jedenfalls wollte man einerseits den Raum des Gemeindesaales kirchenähnlicher ausgestalten und andererseits den Verlust des angesparten Geldes minimieren. Die Erfurter Gemeinde erwarb für 93.000,00 Mark den Altar, die Orgel und die Kanzel der aufgelassenen Garnisonkirche.

In den folgenden Jahren rückte der Bau einer Kirche wieder ins Bewusstsein der Gemeinde. Auf verschieden Wegen bemühte sich die Luthergemeinde die finanziellen Voraussetzungen zur Verwirklichung des Bauvorhabens zu schaffen. So half auch die in Baden-Württemberg ansässige Bausparkasse Wüstenrot. 1926 erfolgte dann der erste Spatenstich mit einem feierlichen Gottesdienst zum Bau der Lutherkirche. Aber die Gemeinde durfte die gesicherte Finanzierung nicht aus den Augen verlieren. Es ist zu vermuten, Unterlagen dazu gibt es nicht, dass auch der Verkauf der heute in St. Trinitatis stehenden Kanzel sozusagen als Geldquelle diente.

Der Umbau der St. Trinitatiskirche 1927/28 im Innenbereich fällt fast mit der Grundsteinlegung in Erfurt zusammen. Der damalige Pfarrer zu St. Trinitatis, Dr. Baumbach, muss auf irgendeine Weise von den Bauvorhaben in Erfurt und dem Verkauf von Inventar aus dem Gemeindesaal erfahren haben. Pfarrer Baumbach kaufte die Kanzel für 450,00 Mark und bezahlte diese und den Transport aus eigener Tasche in Vorleistung.

Die Kanzel und die dazugehörige Säule wurden zunächst über dem Altar und unter der heutigen Christusfigur aufgestellt. Wie der Zugang für den Pfarrer zur Kanzel war, ist nicht genau bekannt. Vermutlich über die heutige Sakristei. Heute steht die Kanzel Richtung Altar blickend links an einer Säule und eine Treppe führt zum Kanzelkorb. Zur Predigt wird die Kanzel unterschiedlich genutzt. Durch die rückläufige Zahl der Gottesdienstbesucher wird meistens vom Pult gepredigt, dessen Unterteil die Säule der Kanzel ist. Wann die Kanzel ihren Platz gewechselt hat ist unklar.

Fotos: Eigene Fotos des Vereins für Ohrdrufer Kirchengeschichte e.V.
Quellen: Unterlagen St. Trinitatis, Luthergemeinde Erfurt,