Die „Fruchtbringende Gesellschaft“ oder die erste Deutsche Sprachakademie
Vortrag von Gertrud Stüwe vom 22.07.2021 – in gekürzter Fassung

Die Sprache ist ein wertvolles Instrument einer ethnischen Gruppe beziehungsweise eines Volkes. Zerstört man durch Infantilisierung – wie es heute bei uns geschieht – den Sprachgebrauch, so folgt unwiderruflich die Zerstörung der Kultur dieser Gesellschaft.

Die „Fruchtbringende Gesellschaft“, bestehend von 1617 bis 1680, auch Palmenorden genannt, war mit 890 Mitgliedern die größte deutsche Sprachakademie. Das erste Gesellschaftsbuch dieser Vereinigung von 1622 enthält einen umfangreichen Gründungsbericht und die chronologische Liste der bis dahin aufgenommenen 52 Mitglieder.
Den Ursprung dieser Gesellschaft finden wir in Thüringen. Schauen wir uns an, wer die erste Überlegung hatte, einen solchen Verband zu gründen, der sich mit dem Ordnen der Sprache befasste und das heillose Durcheinander, welches sich seit Luther ergeben hatte, in einen geordneten Rahmen zu bringen, damit eine gut gegliederte Wortsammlung und deren Bedeutung auch als Lehrmittel den Deutschen zur Verfügung stehen konnte. Außerdem hatte man damals das Gefühl, dass französische Vokabeln in den deutschen Sprachschatz Einzug hielten. Und die ansässigen deutschsprachigen Linguistiger waren nicht gewillt, das zuzulassen. Es war vor allem Prinz Friedrich von Sachsen-Weimar, der in Caspar von Teutleben, einen Studenten der Rechtswissenschaften, einen eifrigen Lehrmeister fand.
Ab 1611 arbeitete Caspar als Hofgerichts-Assessor in Jena und ab 1613 begleitete Caspar den weimarischen Prinzen Johann Ernst auf dessen Cavalierstour nach Frankreich, Großbritannien und Niederlande.
Zurückgekehrt, begann Caspar mit Prinz Friedrich ein System zum Ordnen der deutschen Sprache zu entwickeln.Dabei stießen sie sehr schnell an ihre Grenzen und waren sich einig, dass nur ein größerer Kreis von Interessierten sich der Aufgabe stellen und sie zum Erfolg führen könnte. Dem Prinz Friedrich kam die Idee, sich seiner Verwandtschaft zu öffnen: Er reiste zum Herzogshaus nach Köthen, um dort Freunde zu finden, die sich ebenfalls mit der Einordnung und auch gleichzeitig einer festgelegten Schreibweise für eine solche Aufgabe begeistern konnten, um somit ein derartiges Projekt zu beginnen. Man beschloss also, die Interessenten an einer gepflegten deutschen Sprache aufzulisten und die einzelnen Persönlichkeiten mit besonderen Namen zu versehen, die gleichzeitig über die Tätigkeit des Jeweiligen, oder aber herausragende Eigenschaften aufklärten.
Auch im fränkischen Bereich um Nürnberg gab es Überlegungen zur Verbesserung der Deutschen Sprache und das schriftliche Werk dazu nannte man den „Poetischen Trichter.“ Das Werk wurde auch der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ überreicht und bis heute hat sich ein Spruch verfestigt. Wenn jemand etwas begriffsstutzig ist, heißt es , wir brauchen für dich einen „Nürnberger Trichter“.
Welche Aufgaben betrachteten die Mitglieder der Gesellschaft als vorrangig.
Es wurde festgelegt, dass jedes Mitglied bis zum nächsten Treffen , welches in Köthen stattfinden sollte, eine schriftliche Arbeit abzuliefern hatte, entweder ein Gedicht oder eine kurze Geschichte, die deutlich zeigt, wie das Zusammenspiel geordneter Wörter einen gut leserlichen und verständlichen Text ergeben.
Damit konnten die Mitglieder auf Persönlichkeiten, die sich schon aus beruflichen Gründen mit Schriftstücken befassten, zurückgreifen. Damit findet man einen weiteren Kreis der in der Verbesserung der deutschen Sprache aktiv Tätigen. Teilnehmer und Unterstützer wurden aufgelistet.
Zu diesen Personen gehörten zum Beispiel Martin Opitz (1597 – 1639) ,welcher das erste und einflussreichste Buch über die Metrik und die Poeterei verfasste . Es ging um Verslehre,Stilmittel und Themen einer deutschen Dichtkunst (1624). Er arbeitete wissenschaftlich und das sehr intensiv.
Als großen Dichter der Lyrik muss man unbedingt Andreas Gryphius anführen, der sich auf weltliche Literatur spezialisierte. Auch er hielt Kontakt zur Sprachakademie und wurde sogar aufgenommen. Sein Zweitname lautete „Der Unsterbliche“.Allgemein sehr beliebt ehrte man ihn mit folgendem Gedicht:
Du siehst, wohin du siehst , nur Eitelkeit auf Erden
Was dieser heute baut, reisst jener morgen ein
Wo itzund Städte stehen, wird eine Wiese sein
und des Schäfers Kind wird spielen mit den Herden
Was itzund kräftig blüht, soll bald zertreten werden
was itzund pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein
nichts ist was ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein
itzt lacht das Glück uns an, bald quälen uns Beschwerden.

Das geistliche Lied wurde vor allem von Paul Gerhardt geprägt und zur neuerlichen Vertiefung religiöser Texte in einen verständlichen Text gewandelt. Der große Mystiker, Theosoph und Philiosoph der Barockzeit ist Jacob Böhme (1575 – 1624). Das Ziel seiner Lehre war das Einswerden der Menschenseele mit Gott. Böhme war ein Gottsucher, den die erstarrte Formen des Protestantismus nicht mehr befriedigen konnten und der in der Mystik sein Heil suchte, was er mit seinen Schriften untermauerte.
Martin Opitz, Paul Gerhardt und auch Grimmelshausen stellten ihr Wissen der Sprachakademie zur Verfügung. Inzwischen begann die gegründete Gesellschaft Früchte zu tragen und der Kreis der Intressenten vergrößerte sich auf 890 Personen. Die Aufgabe, dass jedes Mitglied einen schriftlichen Beitrag liefern sollte, hielt man ein und es wurde zunächst auf Rechtschreibung und klarer Formulierung geprüft. Das konnte eine Erzählung sein oder ein Gedicht. Die Gedichte hatten zu diesem Zeitpunkt noch den Vorrang. Auf alle Fälle ermunterte die Vorgehensweise die Mitglieder, sich mit der deutschen Sprache zu befassen und auch Vorschläge zur Entwicklung eines Systems zu unterbreiten.
Ein weiterer wichtiger Potentat des Palmenordens war Adam Olearius,(1599–1671), genannt „der Vielbemühte“. Der Sohn eines Schneiders schaffte es 1620 auf die Universität zu Leipzig für das Fach Theologie sich zu immatrikulieren. Nebenbei studierte er Mathematik und Philosophie und schloss sein Studium nach sieben Jahren ab. Er wurde von der sogenannten „kleinen Fürstenstiftung“ gefördert. Er unterrichtete an der Thomasschule und Nikoleischule und wurde bekannt durch seine Reisen nach Russland und Persien.
1639 wurde er noch Hofmathematiker des Herzogs und auch Hofbibliothekar Er ergänzte die Bibliothek um zahlreiche von ihm gesammelte orientalische Handschriften und baute auch die nachmalige Gottorfer Kunstsammlung (Schleswig) auf. 1654 konstruierte und baute er einen Riesenglobus von drei Meter Durchmesser, ferner entwickelte er ein Verfahren zum Schleifen von para- und hyperpolischer Linsen. Er erlernte anschließend das Handwerk des Kupferstechers. Von herausragender Bedeutung ist Olearius insbesondere als Landeskundler hervorgetreten. Sein „Oft begehrte Beschreibung der neuen orientalischen Reise . . .“ an den König von Persien usw. erschien 1647, überarbeitet 1656 Damit legte er die erste umfassende Persienbeschreibung in der europäischen Literatur und zugleich die trefflichste Darstellung des 17. Jahrhunderts vor .Dieses Werk bildet einen Markstein in der Entwicklung der deutschen Wissenschaftssprache. Er war ein unvoreingenommener Beobachter und Erforscher von geografischem Neuland. Und er war unverzichtbar für die „Fruchtbringende Gesellschaft“. Mit einem Sprung in das nächste Jahrhundert soll an Johann Christoph Gottsched (1700–1766),gedacht werden, denn er vervollständigte die eine oder andere Regel der deutschen Sprache und er sprach sich sehr deutlich für die Anwendung derselben aus. Dabei bezog er sich vor allen auf die Vertreter der höheren Klassen, die gerne vorwiegend Französisch sprachen. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts stabilisierte sich Sprache und Klang der Deutschen Sprache, und die Dichterfürsten der Aufklärung verfügten über ein entsprechendes Element, ihre Gedanken in dem heimischen Sprachstil auszudrücken.

Gertraud Stüwe